Zürcher Kantonsrat befürwortet «Förderklassen-Initiative»

Der Zürcher Kantonsrat befürwortet die «Förderklassen-Initiative» für lernschwache und verhaltensauffällige Kinder.

Der Zürcher Kantonsrat will Förderklassen für lernschwache und verhaltensauffällige Kinder an der Volksschule. Er hat am Montag die «Förderklassen-Initiative» befürwortet.
Das Parlament stimmte mit 96 zu 77 Stimmen der Volksinitiative «Für eine Schule mit Zukunft – fördern statt überfordern», hinter der Vertreterinnen und Vertreter von GLP, FDP und SVP stehen, zu. Bei der Abstimmung im Rat wurde die Initiative dem Gegenvorschlag der Regierung gegenüber gestellt, der auf «erweiterte Lernräume» gesetzt hätte.
Da die Initiative als allgemeine Anregung formuliert ist, wird der Regierungsrat nun bis Mitte November eine Umsetzungsvorlage zuhanden des Kantonsrats erarbeiten. Dieser muss darüber bis Mitte 2026 entscheiden. Diese Vorlage wiederum unterliegt dem fakultativen Referendum, sodass eine mögliche Volksabstimmung bis spätestens Januar 2027 stattfinden wird.
Kommission unterstützt Initiative
Im Vorfeld der Debatte hatte sich die kantonsrätliche Kommission für Bildung und Kultur (KBIK) für die Initiative ausgesprochen. Mit der Annahme der Initiative könne «Ruhe in die heute unruhigen Klassenzimmer kehren», argumentierte sie.

Dies sah auch die Mehrheit des Rats so. Die integrative Schule stosse an ihre Grenzen, sagte Anita Borer (SVP, Uster) vom Initiativkomitee. Wer das nicht erkennen wolle, verschliesse die Augen.
Das System der «zwanghaften Integration» versage, die Schulen seien am Limit. «Wir müssen aufhören, die Kinder zu pathologisieren», sagte Borer. Sie plädierte für ein «pragmatisches Schulsystem», was aber nicht bedeute, dass keine integrative Schule mehr stattfinden solle.
Kritik und Unterstützung
«Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, dann steige ab», sagte Marc Bourgeois (FDP, Zürich). Statt abzusteigen, würde der Kanton Zürich seit Jahren die Futterration für das tote Pferd verdoppeln – in der Hoffnung, dass es wieder lebendig werde. Bourgeois sagte, die Initiative sei nicht der Totengräber der integrativen Schule, sondern möglicherweise deren «letzte Rettung».
Das integrative Schulsystem könne den Bedarf nicht mehr ausreichend abdecken, sagte Nadia Koch (GLP,Rümlang). «Wir brauchen ein nachhaltiges Konzept und eine nachhaltige Entlastung der Lehrpersonen», sagte sie.
Die Initiative sei eine «notwendige Antwort» auf die Herausforderung, mit der die Schule konfrontiert sei. Auch mit der Initiative bleibe das Ziel immer, das integrative System zu stärken und die Durchlässigkeit zu fördern.
Fluch oder Segen?
Der Titel der Initiative töne attraktiv, sagte Hanspeter Hugentobler (EVP, Pfäffikon). Doch in Tat und Wahrheit wolle die Initiative eine Schule der Vergangenheit, Kinder ausgrenzen und stigmatisieren. «Eine Verbesserung erreicht man nicht durch den Zwang von flächendeckenden Förderklassen», sagte Hugentobler.

Die Gegnerinnen und Gegner der Initiative zweifelten auch daran, dass die Initiative kostenneutral umgesetzt werden könne. Sie wollten den Gegenvorschlag der Regierung unterstützen. Die Idee der Initiative klinge zwar «locker-flockig», in Wirklichkeit aber seien Förderklassen ein aufwändiger organisatorischer Akt, sagte Nicole Wyss (AL,Zürich).
Sie sagte, es gebe bereits heute vielfältige Entlastungsmassnahmen. Die Politik sei gefordert, die Integration möglich zu machen. «Wir wollen keine Kinder zweiter Klasse», sagte Wyss. Die AL kündigte an, allenfalls das Referendum gegen die Umsetzungsinitiative zu ergreifen.
Ausblick
Carmen Marty Fässler (SP, Adliswil) bezeichnete die Initiative als «Riesenangriff auf die integrative Schule», die einen Rückschritt zur Separation bedeute. Chantal Galladé (GLP,Winterthur) vom Initiativkomitee sagte dazu: «Wir wollen nicht zurück zum alten System, das ist reine Polemik.» Rochus Burtscher (SVP,Dietikon) hingegen sagte: «Nicht alles, was früher war, ist schlecht.»
Bildungsdirektorin Silvia Steiner (Mitte) nannte das Anliegen der Initiative eine «eierlegende Wollmilchsau». Das Vorhaben solle nichts kosten, aber viel Nutzen bringen.