Stadt Zürich

Coiffeur von Nemo aus Zürich ist ein fantastischer Feminist!

Verena E. Brunschweiger
Verena E. Brunschweiger

Zürich,

Warum ein schwuler Friseur kein wandelndes Klischee ist, sondern ein fantastischer Feminist. Eine Kolumne von Verena Brunschweiger.

Simone Rigliaco
Simone Rigliaco mit Nemo am ESC 2025 in Basel. - Instagram

Das Wichtigste in Kürze

  • Dr. Verena Brunschweiger schreibt regelmässig Kolumnen auf Nau.ch.
  • Sie sagt: Tolle Hetero-Männer kämpfen mit Schwulen und Frauen gegen deren Benachteiligung.

Keine Furcht, kein Makel und keine Diskriminierung wegen des Geschlechts («Fearless, Flawless, Genderless»). Das verspricht Coiffeur Max Weber im deutschen Regensburg. Er sagt: «Bei mir gestalten sich die Schnittpreise nach Haarlänge und nicht nach Geschlecht.»

Bravo! Warum sollten tradierte sexistische Bezahlsysteme Bestand haben in alle Ewigkeit?

In Zürich gründete Simone Rigliaco schon 2021 den ersten Schweizer Hairsalon mit genderneutraler Preisliste. Die Inspiration dafür fand Rigliaco, der übrigens auch für Nemos Haare beim diesjährigen ESC verantwortlich zeichnete, in London.

Coiffeurladen in Zürich von Simone Rigliaco.
Der Coiffeurladen in Zürich gleich beim Idaplatz. - Nau.ch

Wer ist sympathischer als ein Coiffeur mit buntem Safe-Space-Salon, der «Haare sind Haare, Mensch ist Mensch»-Statements bringt?

Und sich von Pseudo-Einwänden, Frauenhaarprodukte wären alle teurer (oder Frauenhaare müssten länger geföhnt werden) nicht irritieren lässt?

Produkte für Frauen sind teurer

Fast immer und überall bezahlen Frauen beim Friseur mehr. Und früh fragt man sich als Mädchen: warum eigentlich?

Coiffeur Zürich
Hier gibt es gleiche Preise: «Gender Free Price List» steht beim Zürcher Liquid-Coiffeur von Simone Rigliaco geschrieben. - Nau.ch

Weil auch dein rosa Rasierapparat teurer ist als der für die Männer? Genau wie dein Rasierschaum in der rosa Dose. Und weil Hygieneartikel für Frauen eben mit der sogenannten «Pink Tax» belegt sind.

Kannst du verstehen, dass Produkte für Frauen teurer sind als für Männer?

Anders als in progressiven Regionen wie Schottland, wo Feministinnen erfolgreich dafür kämpften, dass diese Steuer (in diesem konkreten Fall auf Tampons) abgeschafft wird.

«Pink Tax» bezeichnet das Phänomen, dass Dienstleistungen und Produkte, deren Zielgruppe Frauen sind, teurer sind. Dies, obwohl sie keinerlei realen Mehrwert bieten.

Frauen verdienen bekanntlich überall auf der Welt weniger. Aber dafür kosten ihre Produkte mehr, was die finanzielle Ungleichheit der Geschlechter zusätzlich unnötig verschärft.

Der «Gender Pay Gap» lag beispielsweise im Jahr 2025 in der Schweiz bei 12 Prozent. Und ist wie überall multifaktoriell bedingt. Das bedeutet beispielsweise, dass Frauen öfter in Teilzeit sowie in schlechter bezahlten sozialen Berufen arbeiten.

Frauen bezahlen keinen Eintritt ...

Könnten wir dann bitte wenigstens ein paar Erleichterungen haben wie die Spanierinnen, die an zwei Tagen pro Monat zu Hause bleiben dürfen. Dann nämlich, wenn sie nachweisen, dass sie unter besonders starken Menstruations-Begleiterscheinungen leiden? Oder eben keine Geschlechts-diskriminierenden finanziellen Konzepte?

Es gibt ja auch den gegenteiligen, aber nicht weniger misogynen Ansatz, den man in der Disco oder in Fussballstadien erleben kann. Dann nämlich, wenn Frauen keinen Eintritt zahlen müssen.

Das kennt man eigentlich nur von Burschenschaften, die ahnungslose Studentinnen auf ihre dubiosen Partys locken wollen. Und deren Mitglieder nicht selten der Ansicht sind, eine Frau könne man schon kaufen.

Progressive Theatergruppen staffeln in Deutschland übrigens oftmals ihre Eintrittspreise generell sozial gerecht: Leute mit einem Einkommen bis 1000 Franken zahlen umgerechnet 10 Franken fürs Billett, bis 2000 kostet das Ticket 20. Auch das sind wichtige Überlegungen.

Was kann man gegen «Pink Tax» unternehmen?

Aber zurück zur «Pink Tax». Was kann man tun? Druck auf Politiker:innen ausüben, damit entsprechende gesetzliche Regelungen eingeführt werden. Ein Boykott. Man muss nicht pink verpacktes Rasier-Equipment kaufen und andere Konsumentinnen informieren und aufklären. Oder: Firmen und Einzelinitiativen unterstützen, die gegen diese Art der Frauenbenachteiligung vorgehen – wie der Regensburger Friseur.

Die italienische Autorin und Anwältin Cathy La Torre schreibt in ihrem Buch, dass sich leider eine Mutter über die Windelsteuer aufregte, als eine andere Frau wegen der Tamponsteuer klagte. Die Tamponsteuer betrifft vielleicht ALLE Frauen?!

Die schwule Ikone Italiens, Autor und Aktivist Mario Mieli, dachte in den 1970ern Feminismus und LGBT-Rechte ganz selbstverständlich zusammen. Er betont, dass es die patriarchale Kultur und Religion sind, die Frauen als zweitrangig einstufen. Dies, indem erotisches Begehren und Fortpflanzung in eins gesetzt werden. Bereits 1977 wies Mieli auf die Überbevölkerung hin, zu der er als Schwuler nicht beitrage.

Verena Brunschweiger.
Kolumnistin Verena Brunschweiger. - zvg

Die Belohnung nach dem Essen

Die Coiffeure mit ihren «fearless, flawless, genderless»-Preisen leben Mielis Spirit. Und erfreuen damit das feministische Herz um Lichtjahre mehr als so mancher Heteromann, der sich toll vorkommt, weil er die finanzielle Schieflage ausgleichen möchte, indem er ein Essen bezahlt. Dafür darf man danach aber bitteschön schon wenigstens die Beine oder den Mund öffnen …

Die tollen Hetero-Männer hingegen kämpfen zusammen mit Schwulen und Frauen gegen deren Benachteiligung.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist ein uraltes Postulat, das leider immer noch nicht erfüllt ist. Lasst uns zusätzlich diskriminierungsfreie Preise fordern, nicht nur beim Coiffeur!

Zur Person: Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.

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