Zürcher Polizei begleitet Israel-Demo mit Riesen-Aufgebot

Ein stiller Marsch in Zürich gegen Antisemitismus – und ein riesiges Polizeiaufgebot: Was hinter den massiven Sicherheitsvorkehrungen von gestern Abend steckt.

Das Wichtigste in Kürze
- Gestern Abend fand in Zürich ein «Silent Walk für Israel gegen Antisemitismus» statt.
- Der Marsch wurde von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet.
- Ein Betroffener und ein Experte ordnen die Situation ein.
Seit über einem Jahr findet der «Silent Walk für Israel gegen Antisemitismus» einmal im Monat in Zürich statt. Eine stille, kleine Kundgebung mit ungefähr 100 Teilnehmenden, meist ohne grosses Aufsehen.
«Der Marsch dauert 90 Minuten, Route und Ablauf werden jeweils im Voraus mit der Polizei koordiniert.» Das erklärt Walter Blum vom Dachverband Gesellschaft Schweiz–Israel bei Nau.ch.
Doch gestern war alles anders: Statt eines einzelnen Polizeifahrzeugs sicherte ein Grossaufgebot die Route ab. Dutzende Einsatzkräfte begleiteten den stillen Protest – mit deutlich sichtbarer Präsenz.
Polizei hielt Gummischrot bereit
Nau.ch war vor Ort. Die Anspannung lag spürbar in der Luft. Gegendemonstrierende buhten lautstark, doch zu handfesten Ausschreitungen kam es nicht.
Die Polizei sicherte Demo-Material, führte Personenkontrollen durch – und hielt sich mit Gummischrot einsatzbereit.
«Die Lage ist angespannt, und man rechnet mit Gegenwind», so Blum. Deshalb habe sich die Zürcher Stadt-Polizei wohl entschieden, den Silent Walk am Mittwochabend mit einem Grossaufgebot abzusichern.
«Die Situation hat sich zuletzt deutlich zugespitzt.»
Ein Beispiel dafür: Am 7. Oktober 2024 jährte sich der Terrorangriff der Hamas auf Israel. Aus diesem Anlass versammelten sich Hunderte Menschen auf dem Tessinerplatz in Zürich zu einer Gedenkveranstaltung.
Trotz der Brisanz war laut Blum damals nur ein minimales Polizeiaufgebot vor Ort: Zwei Streifenwagen und zivile Beamte. Ein Kastenwagen? Fehlanzeige.
Auch medial blieb der Anlass unter dem Radar: Trotz breiter Einladung sei nur ein Lokalsender vor Ort gewesen. Jetzt hat sich das Blatt gewendet.
Experte: Klar, dass es «relevantes Risiko» für Demonstranten gab
Heute Abend findet in Lausanne erstmals ein Silent Walk statt – mit wahrscheinlich ähnlich starker Polizeipräsenz wie in Zürich. Wenn nicht sogar noch massiverer. Denn eine Gegendemonstration wurde ebenfalls angekündigt.
Blums grösste Sorge: Dass es künftig nicht nur beim Gegenwind bleibt – sondern tatsächlich zu Übergriffen kommt.

Auch Politologe Oliver Strijbis, Professor für Politikwissenschaft an der Franklin University Switzerland, versteht das massive Sicherheitsaufgebot von gestern.
«Es ist klar, dass grosse Teile der öffentlichen Meinung sehr wütend über das Vorgehen Israels in Gaza sind. Und dass es daher ein relevantes Risiko für eine unbewilligte Gegendemonstration oder eines Angriffs eines Individuums gab.»
«Das Verständnis für Israel nimmt deutlich ab»
Dass sich Menschen aus Angst vor Stigmatisierung, Gegenreaktionen oder Gefahren nicht mehr öffentlich zu pro-israelischen Positionen bekennen, sei nicht spezifisch für die pro-israelische Bewegung.
Im Gegenteil. Lange habe es in der Schweizer Bevölkerung vergleichsweise viel Verständnis für das pro-israelische Lager gegeben.
«Aber mit dem Vorgehen der Netanyahu-Regierung in Gaza nimmt das Verständnis für die Anliegen Israels natürlich deutlich ab.»
Experte: Wer unpopuläre Position einnimmt, muss mit Gegenwind rechnen
Wichtig sei jedoch festzuhalten, dass die Meinungsfreiheit in der Schweiz nach wie vor garantiert sei.
Strijbis betont: Wer eine unpopuläre Position einnehme, müsse in einer offenen Gesellschaft damit umgehen können, dass auch die Gegenseite klar Position beziehe.
Problematisch werde es allerdings, wenn diese Reaktionen in Hassrede, Drohungen oder gar Gewalt umschlagen würden: «Hier muss der Rechtsstaat die Möglichkeit haben, um gegen diese Auswüchse der Intoleranz vorzugehen.»
Die Stadtpolizei Zürich hat sich auf Nau.ch-Anfrage noch nicht geäussert.