Nachbar sägt am Sonntag – Zürcher von Lärm genervt

Ein Leser beschwert sich bei Nau.ch über Nachbarn, die sonntags staubsaugen oder sägen. Experten erklären, wie man bei Ruhestörungen am besten vorgeht.
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Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz gilt vielerorts noch die Sonntagsruhe.
- Gibt es Lärmstörungen, sollte man am besten zunächst freundlich das Gespräch suchen.
- Die Polizei wird meistens bei Ruhestörung in der Nacht gerufen.
Nau.ch-Leser* Julian S. nervt sich: Zuletzt war es in seiner Nachbarschaft in Zürich immer wieder an Sonntagen laut. «Der eine Nachbar staubsaugt, während ein anderer mit offener Garage am Sägen ist», erzählt er.
«Es war schon morgens mega laut. Dabei gilt doch Sonntagsruhe.» Und er fragt sich: «Was kann ich bei Störungen der Ruhe machen?»
Nau.ch hat beim Mieterinnen- und Mieterverband sowie bei zwei Versicherungen nachgefragt. «Die Sonntagsruhe ist nach wie vor weit verbreitet und aktuell», erklärt Fabian Gloor, Jurist beim Mieterinnen- und Mieterverband.
Gespräch suchen
Regeln bezüglich der Sonntagsruhe könnten einerseits im Mietvertrag beziehungsweise in der Hausordnung stehen. «Das setzt natürlich voraus, dass die Hausordnung mit dem Mietvertrag ausgehändigt wird.»
Andererseits gebe es auch Polizeiverordnungen. «Das wird dann jeweils kommunal verordnet», sagt Gloor.

Wer sich am Sonntag von Lärm in der Nachbarschaft gestört fühle, dem rät er, «mit den entsprechenden Personen zu reden». Und zwar «freundlich, aber bestimmt. Wenn man das freundlich und sympathisch macht, reicht das erfahrungsgemäss häufig schon.»
Denn viele Menschen seien sich gar nicht bewusst, dass sie Lärm verursachen, den andere als störend empfinden könnten. «Sollte das nicht helfen, kann man sich anschliessend beim Vermieter melden und über den Lärm beschweren.»
Alternativ könne man sich auch bei der Polizei melden. Der Gang zur Polizei sei aber das letzte Mittel.
Keine fixen einheitlichen Regeln
Auch Robin Locher von der Versicherung Mobiliar erklärt, dass die Regelungen vom jeweiligen Wohnort abhängen. «Vermieterinnen und Vermieter oder Stockwerkeigentümergemeinschaften können zusätzlich weitere Einschränkungen festlegen.»
Bei einem Konflikt lohne es sich, vorgängig einen Blick in die örtlich anwendbaren Gesetze zu werfen. Sowie in die Hausordnung oder das Stockwerkeigentümerreglement.

Joëlle Schmidt von der Axa stellt auf Anfrage von Nau.ch klar: «Es gibt keine fixen, schweizweit einheitlichen Regeln, was an Sonntagen erlaubt ist und was als Ruhestörung gilt.»
Da der Sonntag aber als Ruhetag gelte, sollten lärmende Tätigkeiten, welche die Nachbarschaft stören könnten, vermieden werden.
«Ob Staubsaugen oder das Sägen in der offenen Garage erlaubt ist, hängt von der jeweiligen Situation ab. Im Grundsatz gilt, im Interesse aller Parteien Rücksicht auf die Nachbarn zu nehmen.» Rechtlich betrachtet sei die Situation aber nicht klar geregelt.
Frage der Zumutbarkeit
«Die Rechtsprechung besagt, dass gewisse Lärmimmissionen durch die Nachbarn geduldet werden müssen, solange diese zumutbar sind. Ein kurzes Stabsaugen nach einem Sonntags-Brunch dürfte demnach als zumutbar betrachtet werden.»
Andernfalls würde die Nutzung der Mietwohnung zu stark eingeschränkt werden. «Ein umfassender, lärmintensiver ‹Frühlingsputz› mit diversen Haushaltsgeräten sollte eher nicht auf den Sonntag gelegt werden», sagt Schmidt.
Oft verboten sind laut der Mobiliar lärmige Arbeiten, wie zum Beispiel Rasenmähen. «Oder das Spielen von lauten Musikinstrumenten während der Mittags- und Nachtruhe sowie an Sonn- und Feiertagen.»
Auch die beiden Versicherungen empfehlen bei durch Lärm verursachten Konflikten, zuerst freundlich das Gespräch zu suchen. Sollte dies nicht fruchten, könne man den Vermieter kontaktieren. Ausserdem solle man ein Lärmprotokoll führen und dies dem Vermieter senden.
Bis zur Schlichtungsbehörde oder Polizei
«Wenn die Vermieter untätig bleiben, kann die zuständige Schlichtungsbehörde in Mietsachen kontaktiert werden», sagt Locher von der Mobiliar. «Bei akuten oder unzumutbaren Ruhestörungen, vor allem in der Nacht, kann auch die Polizei gerufen werden.»
Wichtig: Die Polizei greift in der Regel nur ein, wenn es zu einem erheblichen und nachweisbaren Verstoss gegen die Ruhezeiten kommt. Und was sagen die Ordnungshüter selbst dazu?
Keith Jones, Mediensprecher der Kantonspolizei Zürich, kennt das Problem: «Ruhestörungen, auch an Sonntagen, zum Beispiel durch laute Musik, handwerkliche oder sportliche Aktivitäten, sind uns durchaus bekannt.» Statistisch würde man diese Beschwerden jedoch nicht erfassen.
«Die Polizei lässt bei entsprechenden Meldungen Patrouillen ausrücken, um die Situation anzuschauen und verhältnismässig einzuschreiten. In bestimmten Fällen muss mit rechtlichen Schritten gerechnet werden», erläutert Jones.
Meistens Ruhestörungen in der Nacht
Ruhestörungsmeldungen an Sonntagen gebe es wie allgemeine Ruhestörungen eher im Sommer, erklärt Milo Frey von der Kantonspolizei St. Gallen. So seien es dieses Jahr im Januar 15, im Februar 12, im März elf und im April ebenfalls elf gewesen.
Vergangenen Sommer sei es mit 29 im Juni, 32 im Juli sowie 31 im August zu mehr Meldungen gekommen. «Der häufigste Grund ist Lärm, der entweder von Menschen oder von Musik stammt. Eher selten handelt es sich um Staubsaugen, Mähen, Waschen, Bauarbeiten oder ähnliches.»
Frey hält aber fest: «Die überwiegende Anzahl der Meldungen erreicht uns in der Nacht, meistens von Samstag auf Sonntag.» Eine Zunahme von Beschwerden an Sonntagen könne die Kapo St. Gallen in letzter Zeit nicht feststellen.

Man gehe jeder Meldung nach und spreche bei den lärmverursachenden Personen vor. «Nicht selten sind diese über unser Erscheinen erstaunt, weil man den Lärm selbst meist nicht so intensiv wahrnimmt wie die Umgebung. Meistens fruchtet unsere Vorsprache und es kehrt Ruhe ein.»
Busse kann ausgesprochen werden
Es komme aber auch vor, dass sie mehrere Male an den gleichen Ort ausrücken müssten. «In diesen Fällen haben wir die Möglichkeit, eine Busse auszusprechen.»
Lisa Wickhalter von der Kapo Aargau bestätigt auch, dass «uns hin und wieder via Notrufzentrale solche Meldungen» erreichen. Meistens gehe es darum, dass jemand «zu später Stunde laut Musik hört».
Die Kantonspolizei Bern erklärt auf Anfrage von Nau.ch lediglich, dass sie die meisten Meldungen zu Lärmbelastungen am Abend und in der Nacht erhält. «Grundsätzlich kann die Polizei bei solchen Vorfällen immer zur Schlichtung beigezogen werden», sagt Mediensprecher Gian Petschen.
Robin Locher von der Mobiliar sagt zu solchen Meldungen: «Bei der Protekta (ein Tochterunternehmen der Mobiliar) melden sich oft Kunden wegen Nachbarschaftslärm.» Das passiere vor allem, wenn es an Toleranz oder Rücksicht fehle.
Er ergänzt aber: «Besonders Altbauten sind ringhörig, weshalb hörbare Schritte, Stimmen oder andere Geräusche normal sind.»
Noch zeitgemäss?
Dennoch stellt sich die Frage, wie zeitgemäss Ruhe-Regeln an Sonntagen überhaupt noch sind. «Klare Regelungen können in Konflikten Orientierung geben und zur Lösung des Problems beitragen», so Locher.
Lärmstreitigkeiten seien häufig. «Und werden infolge des Bevölkerungswachstums, der verdichteten Bauweise sowie anderer gesellschaftlicher Veränderungen wohl weiter zunehmen.»
Es sei davon auszugehen, dass Gesetzgeber, Vermieter und Stockwerkeigentümergemeinschaften weiter an solchen Regeln festhalten werden. «Um ein friedliches Miteinander zu ermöglichen.»
*Name der Redaktion bekannt