Zürich: Am General-Guisan-Quai stehen hunderte Büros leer

Am Zürcher Seebecken sind grosse Gebäude nur teilweise belegt oder seit Jahren gänzlich ungenutzt. Ursache ist ein Wandel in der Arbeitswelt, sagt ein Experte.

Das rote Sandsteingebäude steht an prominenter Lage zwischen Seebecken und Bahnhof Enge. Kleine Ecktürmchen krönen das Dach, ganz oben thront eine Statue des Bildhauers August Bösch. Von ihrem Sockel aus blickt sie auf eine Fassade hinunter, die von einem Baugerüst umhüllt ist.
Die «Alte Rentenanstalt» – so heisst das opulente Gebäude in der Zürcher Innenstadt – wird aktuell umfassend saniert. Seit 2021 stehen die unzähligen Büroflächen im fünfstöckigen Haus aus dem 19. Jahrhundert leer.
Die Eigentümerin Swiss Life plant, ab Sommer 2026 wieder «Teilflächen» zu vermieten, wie ein Sprecher auf Anfrage schreibt, ohne weitere Details zu nennen.

Doch selbst an dieser zentralen Lage dürfte die Suche nach neuen Mieterinnen und Mietern Zeit brauchen. In den Zürcher Kreisen 1 und 2 werden viele Büroflächen auf Immobilienportalen angeboten, besonders am General-Guisan-Quai fällt die Häufung auf. Was sind die Gründe dafür?
«Weisses Schloss» ist halb leer
Das «Weisse Schloss» steht gleich neben der Alten Rentenanstalt, ebenfalls am General-Guisan-Quai. Dort sind aktuell rund die Hälfte aller Büros nicht belegt, insgesamt über 2200 Quadratmeter, wie zuerst der «Blick» berichtete.
Dabei hat die Zurich Versicherung, Eigentümerin des Gebäudes, das Schloss erst vor gut zwei Jahren aufwendig saniert.
Noch bis in die 80er-Jahre wurde im Prunkbau ausschliesslich gewohnt, erst dann zogen erste Büros ein. Auch jetzt befinden sich noch einzelne Wohnungen im Schloss, die Anzeige einer Dachstockwohnung mit 4,5 Zimmern steht schon seit einem halben Jahr online. Geforderter Mietzins: satte 10'830 Franken pro Monat.

Gründe für den Leerstand will die Versicherung auf Nachfrage von «Tsüri.ch» keine nennen, ein Sprecher verweist einzig auf ein Zitat im «Blick»: «Wir erhalten laufend Anfragen von Interessentinnen und Interessenten und führen Besichtigungen der Wohnung durch», heisst es dort vage.
Nochmal ein Gebäude weiter, am General-Guisan-Quai 26, steht der ehemalige Schweizer IBM-Hauptsitz: ein achtstöckiger Komplex auf fast 4000 Quadratmetern, der seit Jahren leersteht.
Google hatte sich 2022 nach einer Sanierung eingemietet, ist jedoch nie eingezogen und gibt seine Pläne für den Standort nun auf, wie der «Tages-Anzeiger» kürzlich berichtete.
An der Müllerstrasse 16/20 bleibt Google dagegen weiterhin Mieter – ohne die 15'500 Quadratmeter Bürofläche zu nutzen. Die Liegenschaft werde behalten, um «schnell auf allfällige strategische Änderungen reagieren zu können», sagte eine Sprecherin der Zeitung.
Grosses Angebot auf Immobilienplattformen
Maria Conen, Professorin für Architecture & Housing an der ETH Zürich, überrascht diese Strategie nicht. Die Liegenschaften am General-Guisan-Quai gehörten zu den teuersten und prestigeträchtigsten der Stadt. Für Grosskonzerne wie Google falle die Miete in der Gesamtbilanz kaum ins Gewicht; der Konzern setzte 2024 rund 350 Milliarden Franken um.
Zur Situation am General-Guisan-Quai sagt Conen, die zentrale Lage, die hohe Standortattraktivität Zürichs und die anhaltende Wohnungsknappheit liessen die Liegenschaften langfristig an Wert gewinnen.

Dies könne dazu führen, dass Eigentümerinnen und Eigentümern kurzfristige Leerstände absichtlich in Kauf nähmen. Heisst: Die Firmen priorisieren hohe Gebäudewerte in der Bilanz gegenüber Mieteinnahmen auf dem Konto.
Nicht nur am General-Guisan-Quai, sondern auch in weiten Teilen der Kreise 1 und 2 sind viele Büroflächen verfügbar, wie ein Blick auf gängige Immobilienplattformen zeigt. Auffällig ist, dass viele Objekte nach Renovationen neu auf den Markt kommen.
An der Tödistrasse 17 wurde kürzlich ein ganzes Geschäftshaus saniert; auch die Fraumünsterpost, das Gebäude hinter der Frauenbadi, wird derzeit umgebaut. Laut Webseite sollen dort ab 2026 rund 6100 Quadratmeter Bürofläche verfügbar sein.
Kein überdurchschnittlicher Leerstand
Ein Bericht des Immobilienberaters JLL zum dritten Quartal 2025 zeigt jedoch keine überdurchschnittliche Häufung leerstehender Büroflächen in den Kreisen 1 und 2.
Im Kreis 1 sind 2,6 Prozent aller Büroflächen unvermietet, im Kreis 2 insgesamt 3,7 Prozent. In der Region Zürich liegt die Leerstandsquote im Durchschnitt bei 5,3 Prozent.
Daniel Stocker, Leiter Marktforschung Schweiz bei JLL, nennt mehrere Gründe für die Situation am General-Guisan-Quai. «Die Arbeitswelt befindet sich derzeit in einem beschleunigten Wandel», sagt er.
Viele Grossunternehmen überprüften ihren tatsächlichen Flächenbedarf neu. Hinzu kämen Renovationszyklen: Gebäude würden für künftige Anforderungen fit gemacht und an Nachhaltigkeitsstandards angepasst.
Deutlich höher sind die Quoten in peripheren Lagen. Im Kreis 11 steht rund jede zehnte Bürofläche leer, in Opfikon/Glattbrugg knapp jede dritte. In Oerlikon funktionierten vor allem Büros in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs, sagt Stocker, mit zunehmender Distanz werde die Vermietung schwieriger.
Umnutzungen sind aufwendig
Der Leerstand in der Innenstadt steht im starken Kontrast zum Wohnungsmarkt: Die Leerwohnungsziffer liegt bei nur 0,1 Prozent.
Umnutzungen werden zwar politisch diskutiert, sind aber rechtlich und finanziell aufwendig – etwa weil Gewerbe- in Wohnzonen umgezont werden müssten. Viel preiswerter Wohnraum lasse sich so kaum schaffen, sagt Stocker.
Gleichzeitig hinterlassen die leeren Gebäude an zentralster Lage sichtbare Spuren im Stadtraum. Das Quartier hinter dem General-Guisan-Quai wirkt abends weitgehend verwaist.
Der Ort erscheine zudem nicht für alle gleich zugänglich, sagt Maria Conen von der ETH. «Das ist bereits architektonisch angelegt: Das ehemalige IBM-Gebäude wurde für ein Unternehmen konzipiert und nicht für die Öffentlichkeit, das Weisse Schloss beherbergt teure Wohnungen für finanzstarke Personen.»
Interessant wäre es, diese Strukturen aufzubrechen, so Conen, möglich sei das allerdings höchstens mit politischen Initiativen.
Eine nachhaltige Belebung der Strasse ist vorerst nicht in Sicht. Ab Sommer 2026 wird auch das Hauptgebäude der Swiss Life bei der Haltestelle Rentenanstalt saniert.
Damit fällt erneut ein grossflächiger Komplex an dieser zentralen Lage temporär aus der Nutzung – und verstärkt den Eindruck eines Geisterortes.
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Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst bei «Tsüri.ch» erschienen. Autor Kai Vogt ist Redaktor beim Zürcher Stadtmagazin.






