Dietschi (Fair in Air): Flughafen Zürich bereits bestens ausgerüstet
Zürich 25.02.2024 - 04:18
Der Kanton Zürich stimmt am 3. März 2024 über die Pistenverlängerungen am Flughafen ab. Für Urs Dietschi (Fair in Air) ziehen die Argumente der Pro-Seite nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Zürcher Bevölkerung entscheidet am 3. März über die Pistenverlängerungen am Flughafen.
- Urs Dietschi ist Vizepräsident des Vereins Fair in Air, der das Vorhaben bekämpft.
- Im Interview erklärt er, weshalb der die Pistenverlängerungen für eine Mogelpackung hält.
Die Bevölkerung des Kantons Zürich entscheidet am 3. März 2024 über die Pistenverlängerungen am Flughafen Zürich. Gegen das Vorhaben kämpft der Verein Fair in Air. Nau.ch hat mit «Fair in Air»-Vizepräsident und Kantonsrat Urs Dietschi gesprochen.
Nau.ch: Weshalb können Sie dem Vorhaben der Pistenverlängerung am Flughafen Zürich nichts abgewinnen?
Urs Dietschi: Einerseits ist der Flughafen bestens ausgerüstet mit dem bestehenden Pistensystem. Es bedient alle Wünsche – ausser den offensichtlich vorhandenen rücksichtslosen Wahn, wachsen zu müssen. Andererseits wird mit mehr Sicherheit und mehr Stabilität geworben, um den unnötigen Ausbau der Pisten durch die Abstimmung zu bringen. Die Sicherheit auf dem Flughafen ist heute uneingeschränkt gegeben, sonst dürfte nicht geflogen werden.
Zur Stabilität: Die Pistenlängen haben nichts, aber gar nichts mit den Verspätungen zu tun. Gründe für Verspätungen sind verspätet ankommende Flugzeuge, die schon verspätet gestartet sind, die Abfertigung auf dem Flughafen, das Warten auf Transitpassagiere oder der überlastete europäische Luftraum.
«Flughafen setzt für kapazitätserweiternde Infrastrukturprojekte 2,5 bis 3 Milliarden ein»
Der Flughafen setzt für alle schon erstellten oder noch zu erstellenden kapazitätserweiternden Infrastrukturprojekte 2,5 bis 3 Milliarden ein. Investitionen, die nur getätigt werden, wenn sie einen Gewinn bringen – Return on Investment …
Nau.ch: Was haben Sie konkret an den Ausbauten der jeweiligen Pisten, sprich Piste 28 und 32, auszusetzen?
Dietschi: Piste 28: Der Anflug auf Piste 28 ist unkategorisiert, weil ein Waldstück in den Sicherheitsbereich ragt. 2001 flog eine Crossair in dieses Waldstück. Die Crossair flog zu tief, aber immer noch im Sicherheitsbereich. Eine Pilotin oder ein Pilot kann ohne Angabe eines Grundes einen kategorisierten Anflug verlangen.
Zusätzlich muss die Sicht 4300 m horizontal und die Wolkenuntergrenze nicht tiefer als 1200 Fuss (366 m) über Grund sein. Nebst den schon erwähnten Gründen und den Anflugbedingungen ist es geradezu eine grobe Fahrlässigkeit, von stabilerem Anflug bei Pistenausbau zu reden. Jeder Flugzeugtyp, sofern es die Pilotin oder der Pilot wollen, können auf der Piste 28 landen. Auf der Piste 28 gab es noch nie einen Vorfall.
Zur Piste 32: Es können alle Flugzeugtypen auf der heutigen Piste starten. Schon im Oktober 2013 stellte die Flughafen Zürich AG das Gesuch, auf der Piste 32 mit schweren Flugzeugen zu starten. Dieses Gesuch zeigt deutlich, dass es keinen Ausbau der Pisten benötigt.
«Keine Firma setzt so viel Geld ein, ohne dafür etwas zu erhalten»
Nau.ch: Sie sprechen davon, dass bei einem Nein «enorme Kosten» eingespart werden. Die Kosten in Höhe von 250 Millionen Franken für den Ausbau der Pistenverlängerung werden aber von der Flughafenbetreiberin übernommen. Inwiefern werden bei einem Nein also Kosten eingespart?
Dietschi: Kurz gefasst: Keine Firma setzt so viel Geld ein, ohne dafür etwas zu erhalten oder Ziele zu verfolgen, wie zum Beispiel die manifestierten Ziele. Die Rede ist vom Empa-Bericht 2020, der 331’000 Bewegungen bis 2030 als Ziel setzt. Ausserdem plant die Flughafen Zürich AG im Politikbrief Nummer 45 50 Millionen Passagiere bis 2040, was 425’000 Bewegungen entspricht.
Wie in der ersten Frage geschrieben, werden weit mehr als die 250 Millionen eingesetzt. Nicht erwähnt wird vom Flughafen, dass wegen des geplanten, aber unnötigen Ausbaus auch der Hangar für die Privatfliegerei und das Gebäude der Rega abgerissen und weiter gegen Westen – an der Grenze zu Rümlang – wieder erstellt werden. Ausserdem müsste in Rümlang eine Kantonsstrasse verlegt werden, für deren Kosten der Kanton, also die Steuerzahlenden, aufkommen müssen.
Dann ist der Kanton als Aktionär zu einem Drittel beteiligt. Die genannten unnötigen Ausgaben schmälern über Jahre die Dividenden. Nicht zuletzt werden weitere Kosten für die durch die Fliegerei verursachten Krankheiten entstehen.
Nau.ch: Laut Befürwortenden wird der Pistenausbau nicht zu einer Zunahme an Flugbewegungen führen, da darüber nur «der Bundesrat und die Gesetzgebung» entscheidet. Weshalb befürchten Sie trotzdem eine Kapazitätszunahme?
Dietschi: Wird das Gesamtsystem, also die gebauten und geplanten Infrastrukturprojekte, mit in die Betrachtung einbezogen, so erkennt man, dass die Pistenausbauten zwei Puzzleteile im ganzen System zu den unter der dritten Frage abgebildeten Zielen sind.
«Kurzstrecken sollten verboten werden»
Nau.ch: Für Sie ist klar, dass die Schweizer Bevölkerung zu viel fliegt. Welche Massnahmen fordern Sie, um die Flugbewegungen zu verringern?
Dietschi: Wir fliegen fast dreimal, sprich 6,3 Flüge pro Jahr pro Person, mehr wie die Menschen in unseren Nachbarländern. Eine Variante ist, dass für die Fliegerei, wie andere öffentliche Transportsysteme, Abgaben zu entrichten sind. Steuern auf Kerosin, Mehrwertsteuer und so weiter.
Somit würde die Fliegerei nicht weiter subventioniert. Die Fliegerei müsste generell in Richtung Kostenwahrheit gehen, wie andere öffentliche Verkehrsträger. Kurzstrecken, wie dies Frankreich macht, sollten verboten werden.
Nau.ch: Der Verein Fair in Air hat im letzten Oktober die Flughafen-Nachtruhe-Initiative lanciert. Welche Forderungen beinhaltet diese?
Dietschi: Die Nachtruhe-Initiative wurde zusammen mit anderen Bevölkerungsorganisationen lanciert und verlangt die strikte Einhaltung der 7-stündigen Nachtruhe. Es werden nur noch sehr wenige Ausnahmen zugelassen, wie Notfallflüge beispielsweise durch die Rega, Landungen im Notfall, aber keine Starts mehr nach der «Behebung» des Notfalls.
Nicht mehr erlaubt wäre zum Beispiel eine Sonderbewilligung zu erteilen, weil die Swiss als Home Carrier ein Flugzeug, das sie am nächsten Morgen in Zürich «benötigt», noch verspätet landen darf.
Zur Person: Urs Dietschi (*1954) ist Vizepräsident des Vereins Fair in Air und Kantonsrat für die Grünen Zürich. Er wohnt in Tagelswangen (Gemeinde Lindau).