Stadt Zürich

Zürcher Polizei stellt schwulem Paar «intimste» Fragen

Anna Baumert
Anna Baumert

Zürich,

Weil die Behörden den Verdacht hegen, dass zwei Männer eine Scheinehe führen, müssen diese «intimste Fragen» beantworten. Der Fall landet vor dem Bundesgericht.

Scheinehe
Eduardo P. und David P. ziehen in eine gemeinsame Wohnung, damit der Familiennachzug möglich ist. Das Migrationsamt vermutet eine Scheinehe. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Früh am Morgen kommt es in der Zürcher Wohnung eines schwulen Paars zu einer Kontrolle.
  • Die Beamten schauen ins Schlafzimmer und Badezimmer und machen Fotos.
  • Der Verdacht, es handle sich um eine Scheinehe, stellt sich jedoch als falsch heraus.
  • Vor Gericht kämpfen die Männer nun für den Schutz ihrer Privatsphäre.

Ein schwules Paar erlebt an einem Donnerstagmorgen einen Schock: Um 6.15 Uhr steht die Kantonspolizei Zürich vor ihrer Wohnungstür.

Die Beamten haben vom Migrationsamt den Auftrag bekommen, eine Wohnungskontrolle durchzuführen. Dieses vermutet nämlich, dass der Peruaner Eduardo P.* und der Schweizer David P. * eine Scheinehe führen.

Das vermeintliche Ziel: das Erschleichen einer Aufenthaltsbewilligung.

Beamte fotografieren die Männer

Die Polizisten klingeln die beiden Männer aus dem Bett. Dann schauen sie sich in der Wohnung um und dokumentieren alles mit einem Fotoapparat, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet. Die zwei Zahnbürsten im Badezimmer ebenso wie die Männer selbst und die Fotos auf ihren Handys.

Schliesslich wird Eduardo P. im Polizeiauto auf den Posten gebracht, wo er zu seiner Beziehung befragt wird. Dabei muss er laut eigenen Angaben «intimste Sachen» preisgeben.

Auch David P. muss sich später einer Befragung unterziehen.

Schnell stellt sich heraus, dass das Migrationsamt mit seiner Vermutung, dass die beiden eine Scheinehe führen, falsch lag. Im Rapport wird festgehalten: «Aus polizeilicher Sicht dürfte es sich um eine ernsthafte Beziehung handeln.»

Doch wie gerieten die beiden Männer überhaupt unter Verdacht? Hintergrund ist, dass das Paar eine Weile lang in zwei Wohnungen in verschiedenen Städten lebte.

Ein Paar in zwei Wohnungen

Eduardo war zwar ursprünglich im Jahr 2017 für ein Doktorat in Bioinformatik nach Zürich gekommen. Dort lebte er dann auch zusammen mit David.

Aber später wurde seine Forschungsstelle nach Bern verlegt. Also mietete Eduardo sich dort eine eigene Wohnung, während David im Kanton Zürich blieb. Die beiden Männer führten in der Folge eine Lebensgemeinschaft in zwei Wohnungen.

Einen Tag, bevor Eduardos Aufenthaltsbewilligung zu Ausbildungszwecken ablief, liessen die Männer ihre Partnerschaft eintragen. Dann stellten sie ein Gesuch um Familiennachzug. Somit erhielt der Peruaner eine neue Aufenthaltsbewilligung.

Laut den Migrationsbehörden sei ein solcher Familiennachzug aber nur möglich, wenn das Paar in der gleichen Wohnung lebt. Daraufhin zogen die beiden Männer in Zürich wieder zusammen und legten dem Zürcher Migrationsamt die entsprechenden schriftlichen Beweise vor.

Dennoch reichte die Tatsache, dass sie zeitweise in getrennten Wohnungen lebten, dass der Verdacht der Scheinehe entstand. Daraufhin kam es zur Wohnungskontrolle.

David und Eduardo ziehen vor Gericht

Während der Fall für die Behörden abgeschlossen ist, wollen David und Eduardo, dass das Migrationsamt die Widerrechtlichkeit der Polizeikontrolle feststellt. Denn sie fühlen sich wie Verbrecher behandelt.

Weder das Migrationsamt noch die nächste Instanz, die Sicherheitsdirektion, traten jedoch darauf ein.

Bist du schon mal vor Gericht gezogen?

Einen kleinen Erfolg gab es vor dem Zürcher Verwaltungsgericht: Das Migrationsamt wird in Nebenpunkten kritisiert. So hätte die Polizei den Männern an der Tür erklären müssen, dass sie die Kontrolle verweigern können. Ausserdem hätte es eine Verfügung geben müssen.

Allerdings wies auch das Verwaltungsgericht die Beschwerde in der Hauptsache ab. Denn es bestehe ein öffentliches Interesse an der Bekämpfung von Scheinehen. Im Fall von David und Eduardo sei der Verdacht «gerade noch genügend» und die Polizeikontrolle verhältnismässig gewesen.

Bundesrichter beraten sich am 10. Juni

Die beiden Männer kritisieren jedoch weiterhin, dass das Migrationsamt keine mildere Massnahme geprüft hat. Inzwischen sind sie vor das Bundesgericht gezogen.

Ihr Anwalt ist der Ansicht, die Behörde habe mit ihrem unverhältnismässigen Vorgehen die Privatsphäre seiner Klienten verletzt. «Das Vorgehen des Migrationsamts scheint systematisch zu sein», hält er fest.

Am 10. Juni gibt es eine öffentliche Beratung zu dem Fall. Das wird üblicherweise nur gemacht, wenn die Bundesrichterinnen und -richter sich nicht in einem schriftlichen Verfahren einigen können.

* Namen geändert

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