Stadt Zürich

Zürcher darf nach sexuellem Übergriff weiter mit Kindern arbeiten

Stephan Felder
Stephan Felder

Zürich 11.12.2024 - 06:49

Ein verurteilter Sexualstraftäter konnte trotz einschlägiger Verurteilungen jahrelang an einer Schule für Kinder mit Behinderungen arbeiten.

Missbrauch Symbolbild
Nahmen Zürcher Behörden das Thema Missbrauch zu wenig ernst? (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • 2018 wird ein Zürcher in flagranti bei einem Übergriff erwischt.
  • Trotz der Verurteilung blieb er als Fahrbegleiter an einer Schule angestellt.
  • Die Behörden wissen davon – die Eltern der Kinder nicht.

Dieser Fall sorgt für Kopfschütteln und Entsetzen: Ein 56-jähriger Zürcher begeht sexuelle Übergriffe an behinderten Personen. Trotzdem darf er weiter und in direktem Kontakt mit Kindern arbeiten. Die «NZZ» deckt den verstörenden Fall auf.

Den Stein ins Rollen brachte Maike Nugor, Mutter eines betroffenen Kindes. Sie hatte 2021 Sprachnachrichten von Stefan Waser* erhalten, die zunächst harmlos wirkten. Waser war der Fahrbegleiter ihres Kindes an die Schule.

Im Januar 2024 sitzt Nugor am Esstisch und liest die Zeitung. Ihr Blick bleibt an einem Artikel hängen, der von einem Missbrauchsfall in einem Heim im Kanton Zürich berichtet.

Übergriffe bereits 2018

Ein Mann habe «besondere Duscherlebnisse» angeboten. Er sei nur in Unterhose bekleidet vor dem Bett eines Bewohners erschienen. Er habe während der Körperpflege Türen geschlossen, obwohl dies ausdrücklich verboten war.

Ein seltsames Gefühl überkommt Nugor. Irgendetwas an der Beschreibung kommt ihr bekannt vor. Später erinnert sie sich an diesen Moment: «Ich kam richtig ins Schwitzen.»

Einige Tage später stösst sie auf einen konkreten Hinweis, der ihre Befürchtungen bestätigt: Stefan Waser. Der ehemalige Fahrbegleiter ihres Sohnes. Entsetzt durchsucht Nugor ihr Handy nach Wasers alten Whatsapp-Nachrichten.

Kritik an den Behörden

Waser war 2018 in einem Heim für Menschen mit Behinderungen in flagranti bei einem Übergriff erwischt worden. Das Heim kündigte ihm fristlos und meldete den Fall.

Trotz der Verurteilung blieb Waser jedoch als Fahrbegleiter an der Schule angestellt. Grund: Bis zum Urteil gegen ihn galt die Unschuldsvermutung.

Verstehst du das Vorgehen der Behörden?

Das Zürcher Schulamt hatte Waser während des Verfahrens «unter strengen Auflagen» weiter beschäftigt. Er durfte zwar keine pflegerischen Tätigkeiten ausführen, war jedoch weiterhin als Fahrbegleiter tätig. Und damit in direktem Kontakt mit den Schülern. Die Eltern wurden darüber nie informiert.

Juristen und Experten halten dieses Vorgehen für unverständlich. «Es wäre rechtlich zulässig gewesen, den Mann freizustellen oder ihn an einen anderen Ort zu versetzen», schreibt der Zürcher Ombudsmann in seinem Schlussbericht an die Eltern.

Die Stadt Zürich meint hingegen, dass Verdachtskündigungen im öffentlichen Dienst nicht erlaubt seien.

Manipulative Taktiken des Täters

Nach Ansicht von Experten wie der Opferberatung versuchte Waser gezielt, das Vertrauen von Eltern und Umfeld zu gewinnen. Ein Vorgehen, das als Grooming bekannt ist.

Nugor erinnert sich an Nachrichten und Fotos, die sie zunächst für belanglos hielt. Im Nachhinein wird klar, dass Waser so eine Nähe zu ihrer Familie aufbauen wollte.

Die Nachfragen der Familie Nugor stossen bei der Stadt Zürich auf Unverständnis. Trotz der sensiblen Situation und der besonderen Verletzlichkeit der Kinder mit Behinderungen sah das Schulamt «keinen Handlungsbedarf».

«Das hat mich sehr getroffen»

Für Nugor bleibt ein bitterer Nachgeschmack: «Wenn sogar eines der grössten Schulämter der Schweiz solche Probleme im Umgang mit Sexualstraftätern hat, wie ist es dann anderswo?»

Eigentlich sollten Eltern doch darauf vertrauen können, dass ihre Kinder in der Schule sicher sind, sagt Nugor.

«Es hat mich sehr getroffen, dass das Schul- und Sportdepartement unserem Sohn Waser als Begleiter für die Transporte zugewiesen hat. In voller Kenntnis darüber, wer er ist. Und es ist mir bis heute nicht begreiflich.»

* Name geändert

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