Stadt Zürich

Schnecken im Bio-Salat? Zürcher Bauern-Video sorgt für Wirbel

Riccardo Schmidlin
Riccardo Schmidlin

Zürich,

Wer Bio-Salat isst, muss mit Schnecken rechnen. So lautet die Message eines Cartoon-Videos – könnte man zumindest meinen. Der Clip wirft Fragen auf.

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Dieses Video über Schnecken im Bio-Salat sorgt für Diskussionen. - Youtube / Naturtalent

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Zürcher Bauernverband sorgt mit einem Cartoon für Diskussionen.
  • Ein Bio-Bauer bezeichnet das Video über Schnecken im Bio-Salat als tendenziös.
  • Der Bauernverband wehrt sich: Das Video dürfe nicht ohne Kontext bewertet werden.
  • Neben den Pflanzenschutzmitteln steht auch die KI-Tonbearbeitung im Fokus.

Eine schleimige Schnecke auf dem Salatteller bringt bei der fiktiven «Familie Richter» die Gemüter zum Kochen. Und sie sorgt auch im echten Leben für rote Köpfe.

Darum geht es: Das Cartoon-Format des Zürcher Bauernverbands greift in einer Folge das Thema Bio-Salat und Pflanzenschutzmittel auf.

«Diese kleine Schnecke hat sich wohl im Bio-Salat versteckt. Obwohl ich den Salat dreimal gründlich gewaschen habe», sagt die Mutter im Clip.

Hast du schon mal eine Schnecke in deinem Salat entdeckt?

Vater Richter nervt sich: «Da sieht man wieder, wie viele Nerven uns diese Bioware kostet.» Die Botschaft: Wäre der Salat gespritzt worden, hätte sich kein Kriechtier verirrt.

Wie bitte?

X
Swiss Food hat das Video auf X gepostet und beworben. - X

Das Video mit dem Titel «Überraschung im Bio-Salat» wurde auf X von «Swiss Food» verbreitet. Für die Organisation ist das Video ein gefundenes Fressen. Denn dahinter stecken die Firmen Syngenta und Bayer – also die Pestizid-Lobby.

Bio-Bauer beklagt «tendenziöse Propaganda»

Dass das Video ohne zusätzlichen Kontext geteilt wird, sorgt für Ärger. Das führe zu politischer Instrumentalisierung, sagt Kilian Baumann, Bio-Bauer und Berner Grünen-Nationalrat.

«Die Agro-Chemieindustrie hat das Video für ihre Zwecke genutzt», ärgert er sich bei Nau.ch.

Er erklärt: «Die Agro-Chemieindustrie (Swiss Food) investiert seit einiger Zeit Millionen, um das schlechte Image von Pflanzenschutzmitteln in der Gesellschaft zu verbessern.»

Baumann findet klare Worte: «Die sozialen Medien werden mit ihrer oftmals tendenziösen Propaganda regelrecht geflutet. Auch ich bin betroffen davon.»

Kilian Baumann
Kilian Baumann ist Bio-Bauer und Grünen-Nationalrat. Er ärgert sich über das Video des Zürcher Bauernverbands. - Kilian Baumann

Zürcher Bauernverband alleine für Videos verantwortlich

Doch dahinter bestehe keine Absicht, beteuert der Zürcher Bauernverband.

Denn: Eine Zusammenarbeit zwischen dem Zürcher Bauernverband und Swiss Food besteht nicht.

Die Youtube-Serie «Familie Richter» ist ein Projekt des Zürcher Bauernverbands. «Für deren Inhalte sind wir vollumfänglich alleine zuständig und verantwortlich», stellt Sprecher Nathanael Helfenstein gegenüber Nau.ch klar.

Und: «Das Recht, Inhalte zu teilen, haben in den sozialen Medien alle.»

Allerdings scheint der Bauernverband grundsätzlich keine Berührungsängste mit der Pestizid-Lobby zu haben. «Eine Kooperation mit Swiss Food würde uns jedoch sehr freuen», heisst es aus Zürich.

Bauernverband will Verständnis von Landwirtschaft fördern

Ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gegen Schnecken wirklich zentraler Punkt der Folge?

Nein, sagt der Verband. «Dieses alleinstehend zu beurteilen, ist schlicht falsch. Denn es ist lediglich der Einstieg, ein Teaser für einen Themenartikel mit vertiefter Recherche.»

Die Serie gehört zur Kommunikations-Offensive «Naturtalent», die laut Helfenstein «zur Schliessung des Stadt/Land-Grabens beitragen» will. Das Video soll also auf die Plattform verweisen. Dort gebe es einen ausführlichen Artikel samt Podcast und Statistiken.

Naturtalent
Die Videos sollen auf die Informations-Plattform «Naturtalent» aufmerksam machen. - Screenshot

Helfenstein: «Die Serie Familie Richter funktioniert als Teaser. Sie stellt klischierte Meinungen gegenüber, wie sie auch in der Bevölkerung existieren. Um dann auf einen vertieften Artikel mit Fachwissen, Statistiken und Quellen zu verweisen.»

Bio-Bauer Kilian Baumann lässt dieses Argument nur bedingt gelten. Auf Nachfrage ergänzt er: «Ich störe mich nicht am Format, sondern an der Erzählung.»

Es gebe gute Gründe, warum gewisse Pflanzenschutzmittel verboten wurden, sagt er. Etwa, weil sie unser Trinkwasser gefährden oder das Artensterben vorantreiben würden. «Diese Sichtweise fehlt vollständig.»

Grundsätzlich habe er nichts gegen das Spielen mit Klischees, beteuert Baumann. «In diesem Fall hat aber nur das Klischee eine hohe Reichweite erreicht.»

Ton mit Künstlicher Intelligenz bearbeitet

Doch nicht nur der Inhalt polarisiert. Auch die Tonqualität sorgt für Stirnrunzeln.

«Tendenziell würde ich sagen: Ja, mit KI generiert, aber sehr schlecht oder miserabel aufgenommen und bearbeitet.» Das urteilt KI-Experte Mike Schwede auf Anfrage von Nau.ch.

Stört es dich, wenn eine Stimme mit KI bearbeitet wurde?

Laut dem Zürcher Bauernverband kam jedoch «keine generative KI zum Einsatz». Dafür aber «ein KI-gestütztes Tool, um die Stimmen zu verändern».

Grund: Die Videos würden von einer einzigen Person produziert.

Auch Bio-Bauern können gegen Schnecken vorgehen

Eines ist klar: Die «Familie Richter» polarisiert – mit Schnecken, Stimmen und schrägen Tönen.

Doch der Zürcher Bauernverband hält an seinem Konzept fest: «Dieses Projekt steht noch am Anfang und wird laufend verbessert.»

Man wolle mit dem Projekt ein wahres Bild von Landwirtschaft zeichnen – egal ob Bio oder konventionell.

Denn: «Der Bevölkerung wird durch Werbung der Grossverteiler ein falsches und realitätsfremdes Bild vermittelt», so Sprecher Nathanael Helfenstein. Etwa, wie wenn Kühe mit Harfenspiel geweckt werden.

«Solche Bilder haben mit der Landwirtschaft nichts zu tun. Deshalb gibt es Naturtalent, das authentisch und gezielt auch über unpopuläre und unangenehme Themen spricht.»

Die Serie sei bewusst provokant angelegt, um einen Dialog anzustossen. «Es geht nicht um Lagerbildung, sondern um gegenseitiges Verständnis.»

Übrigens: Auch in der Bio-Landwirtschaft darf gegen Schnecken vorgegangen werden. «Es gibt auch im Biolandbau erlaubte Schneckenkörner», erklärt Lukas Inderfurth von Bio Suisse.

Wichtig sei, dass Bio-Produkte denselben Qualitätsstandards wie konventionelle Lebensmittel unterliegen.

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