Politik fordert nach Tram-Attacke in Zürich Massnahmen

Nach dem Angriff auf eine Frau im Tram zeigt sich ein doppeltes Problem: Die Stadtpolizei Zürich soll schlecht planen – und: niemand will an die Front.

Das Wichtigste in Kürze
- Eine Frau wird im Zürcher Tram angegriffen, die Polizei kommt nicht zur Hilfe.
- Ein Insider sagt: Die Polizei ist personell am Limit und braucht dringend mehr Leute.
- In der Politik sind die Meinungen geteilt. Bürgerliche finden, der Beruf sei unattraktiv.
Der Angriff auf eine junge Frau im Zürcher Tram 13 in der Nacht auf Sonntag erschüttert. Nicht nur wegen der Tat selbst, sondern auch wegen der Reaktion der Polizei.
Oder besser: wegen deren Ausbleiben.
Als die Frau attackiert wurde, konnte niemand ausrücken. Die Stadtpolizei erklärte später, man sei bereits wegen einer Demonstration, dem Knabenschiessen und Verkehrsunfällen gebunden gewesen.

Der Eindruck: Wer Opfer wird, während die Polizei beschäftigt ist, bleibt ohne Hilfe.
Fehlt Personal bei der Stadtpolizei Zürich?
Das heizt eine alte Diskussion neu an: Hat die Stadt Zürich zu wenig Polizei, oder fehlt schlicht das Personal an der Front?
Eine gut unterrichtete Quelle sagt zu Nau.ch: «Die Stadtpolizei braucht mehr Leute. Das wird seit Jahren gefordert.»
Doch selbst mit Aufstockung bleibe die Belastung enorm: «Die laufen alle auf dem Zahnfleisch.»
Insider kritisiert falsche Prioritätensetzung
Der Insider zieht einen Vergleich, der hängen bleibt: «Das ist wie im Spital: ausgerichtet auf den Durchschnitt, nicht auf Spitzenzeiten.»
Wenn dann an einem Wochenende 20'000 bis 30'000 Menschen in der Stadt unterwegs seien, reichten die Ressourcen schlicht nicht mehr.
Für ihn ist klar: «Ein Messerstecher wäre eigentlich Priorität 1 gewesen.»
«Leute wollen nicht an die Front»
Doch das Problem ist komplexer. Es geht nicht nur um Stellen, sondern darum, ob überhaupt jemand diese Jobs noch machen will.
Angie Romero (FDP), Mitglied der Sicherheitskommission, bringt es klar auf den Punkt: «Die Leute wollen nicht in diesem Korps sein, sie wollen nicht an die Front.»

Für sie liegt das Problem nicht nur im Personalbestand, sondern im politischen Umfeld: «Man zweifelt immer an der Stadtpolizei. Das macht den Dienst unattraktiv.»
FDPlerin: Polizei wird ständig infrage gestellt – und Ausrüstung fehlt
Romero kritisiert, dass die Polizei in der Stadt Zürich zu wenig Rückhalt spürt: «Im Kanton steht der Sicherheitsdirektor 100 Prozent hinter der Polizei. In der Stadt habe ich dieses Gefühl nicht.»
Die ständige politische Infragestellung, die hohe Einsatzdichte und mangelnde Ausrüstung würden mögliche Bewerber abschrecken.
«Es ist einfach nicht angenehm, in der Stadt Polizist zu sein: Langstrasse, Drogenszene, Fussball, Demos. Und wenn dann noch Material fehlt, wie zum Beispiel Taser, wird es richtig schwierig.»
Bei fehlendem Taser gibt es nur noch die Schussabgabe
Sie erinnert sich an einen Vorfall, bei dem die Stadtpolizei ohne Taser ausrücken musste: «Da musste man die Kantonspolizei holen, sonst wäre nur noch die Schussabgabe möglich gewesen.»
Auch Kantonsrat Christoph Marty (SVP) betont, dass das politische Klima dem Beruf schadet. «Der Fisch stinkt vom Kopf», sagt er und meint damit die Stadtregierung. Die ständige Kritik am Polizeikorps mache den Beruf unattraktiv.

Marty verweist zudem auf die demokratische Dimension: «Die Bevölkerung hat diese politische Führung gewählt. Wer andere Zustände will, muss auch anders abstimmen.»
Die Kritik an der Stadtregierung zieht sich wie ein roter Faden durch die Aussagen. Zu wenig Rückhalt. Zu wenig Ausrüstung. Zu wenig Vertrauen.
Grüne: Mehr Personal bringt nichts – der Job muss attraktiver werden
Doch es gibt auch andere Stimmen. Sibylle Kauer, für die Grünen im Gemeinderat, weist darauf hin, dass längst nicht alle bewilligten Stellen besetzt sind.
«Es bringt nichts, neue Stellen zu schaffen, wenn die bestehenden nicht besetzt werden können.»
Sie schätzt, dass rund 50 Stellen offen sind. Doch die Nachfrage sei schlicht zu gering.
Mehr Taser? «Wir Grüne sehen das sehr skeptisch»
Sie mahnt zur besseren Planung: «Natürlich braucht es Präsenz bei bewilligten Anlässen, aber es muss genug Personal für das Unerwartete übrig bleiben.»
Dem Ruf nach besserer Ausrüstung, etwa Tasern, steht sie kritisch gegenüber: «Das ist keine harmlose Waffe. Wir Grüne sehen das sehr skeptisch.»
SP widerspricht Kritik aus FDP und SVP
Reis Luzhnica von der SP Zürich zeigt sich über den Tramangriff betroffen: «Es ist schlicht unverständlich, wenn in einer Notsituation keine Unterstützung durch die Polizei kommt.» Er kennt ähnliche Erfahrungen aus dem Alltag, auch bei ihm sei niemand ausgerückt.
Von einer politischen Blockade will die SP aber nichts wissen. Luzhnica betont, der Gemeinderat bewillige jedes Jahr acht bis neun neue Stellen.
«Das Problem liegt nicht bei der Politik, sondern daran, dass die Polizei diese Stellen nicht besetzen kann.» Wer anderes behaupte, betreibe «plumpen Populismus.»
Auch zur Ausrüstung nimmt er Stellung: «Es wird laufend investiert.»
Entscheidend für die Attraktivität des Berufs sei nicht die Gefahr. Sondern verlässliche Arbeitsbedingungen, faire Löhne und bessere Vereinbarkeit mit dem Privatleben.
Übrigens: Das Opfer der Tram-Attacke hat inzwischen eine Anzeige erstattet, wie die Stadtpolizei Zürich am Dienstag mitteilte.
Der mutmassliche Täter, ein 28-jähriger Syrer, konnte am Montagabend festgenommen werden. Er soll der jungen Frau ins Gesicht geschlagen haben.