Theater: Kein Fördergeld wegen Rollenbesetzung durch cis-Mann

Weil ein «weisser cis-Mann» über Minderheiten sprechen soll, werden einem Zürcher Theater die Fördergelder gestrichen.

Das Wichtigste in Kürze
- Eine Theatergruppe hat eine Ablehnung für Fördergeld von der Stadt Zürich bekommen.
- Grund dafür ist unter anderem die Besetzung durch einen «weissen cis-Mann» im Stück.
- Der Entscheid sorgt für Kritik in der Zürcher Kulturpolitik.
Das Theaterstück «Mario und der Zauberer» sorgt in Zürich für Aufsehen.
Die Gruppe hinter dem Stück hatte bei der Stadt um eine finanzielle Unterstützung von 30'000 Franken gebeten – ohne Erfolg.
Dies ist nicht ungewöhnlich, da viele solcher Anträge abgelehnt werden.
Doch ein Satz in der Begründung macht stutzig: «Die Kommission erachtet den Versuch, die Mechanismen der Herabsetzung von Minderheiten durch die Rolle des Performers von einem von der Kommission als ‹white passing cis-Mann› gelesene Person erklären zu lassen, als nicht überzeugend.»
Mord an Zauberer
In anderen Worten: Ein weisser, männlicher Schauspieler hat nicht die Fähigkeiten, auf der Theater-Bühne über Diskriminierung zu sprechen.
In «Mario und der Zauberer» von Thomas Mann verbringt eine Familie ihre Ferien in Italien. Dort spürt sie aber eine bedrückende Stimmung aus Nationalismus und Ausgrenzung.
Beim Besuch einer Zaubershow beeindruckt der Zauberer Cipolla das Publikum. Doch er nutzt seine Macht, um Menschen zu demütigen und zu kontrollieren.
Den jungen Mario zwingt der Zauberer mithilfe von Hypnose zu einer erniedrigenden Tat. Daraufhin ermordet Mario den Zauberer.
Ablehnungsentscheid ist nicht ganz klar
Das Präsidialdepartement der Stadt Zürich äussert sich nicht zu einzelnen Fördergesuchen. Es betont, dass ablehnende Entscheidungen auf der inhaltlichen Überprüfung der transparent kommunizierten Kriterien basieren.
Ein Sprecher von Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) erklärt gegenüber dem «Tagesanzeiger»: «Die Besetzung einer Rolle kann durchaus in die Beurteilung miteinfliessen.»

Die Person, die bei dem Theater hätte Regie führen sollen, findet es wichtig, dass sich die Jury auch mit Gender-Fragen beschäftigt. «Aber welche Rolle soll der Schauspieler spielen, wenn nicht diese?»
Zürcher Theater müssen «inklusiv» sein
Der Fall «Mario und der Zauberer» hat eine breite Kritik an der Zürcher Kulturpolitik ausgelöst. Viele Stimmen behaupten, dass in Zürich nicht mehr die besten Theaterstücke aufgeführt werden, sondern nur noch die inklusivsten.
Eine dieser Stimmen ist FDP-Gemeinderat Flurin Capaul. Er äusserte sich kürzlich im Stadtparlament mit den Worten, es sei etwas faul in der Zürcher Theater-Landschaft.

«Wir konzentrieren uns zu sehr auf Teilhabe und zu wenig auf kommerziell erfolgreiche Theaterstücke», zitiert der «Tagesanzeiger» Capaul.
Dieser argumentiert auch, dass das Publikum sich vom Theater abwendet und nicht mehr zurückkehrt.
Als Beweis zitiert Capaul Geschäftsberichte des Schauspielhauses Zürich. Deren Besucherzahlen sind von knapp 184'000 in der Saison 1994/95 auf gut 70'000 gesunken. Das Schauspielhaus ist übrigens das am stärksten subventionierte Theater der Stadt.