Polizisten stehen wegen eskalierter Kontrolle in Zürich vor Gericht
Zürich 15.02.2024 - 09:13
Drei Zürcher Stadtpolizisten stehen vor dem Zürcher Obergericht. Ein Mann wirft den Polizisten Rassismus und Polizeigewalt vor.
Am heutigen Donnerstag stehen drei Zürcher Stadtpolizisten vor dem Zürcher Obergericht. Sie sollen 2009 einen dunkelhäutigen Mann bei der Festnahme schwer verletzt haben. Der Mann wirft den Polizisten Rassismus und Polizeigewalt vor. Die Beschuldigten und die Staatsanwaltschaft sehen das anders.
Im April 2018 sprach das Bezirksgericht Zürich die Beschuldigten, zwei Polizisten und eine Polizistin der Stadtpolizei Zürich, vom Vorwurf der Gefährdung des Lebens frei. Die Staatsanwältin hatte damals – entgegen ihrer eigenen Anklageschrift – ebenfalls einen Freispruch beantragt. Der Privatkläger war mit dem Urteil nicht einverstanden, weshalb es am Donnerstag zur Verhandlung vor dem Obergericht kommt.
Der gebürtige Nigerianer Wilson A. sass an einem Oktoberabend 2009 nach Mitternacht zusammen mit einem ebenfalls dunkelhäutigen Mann in einem Tram in Zürich. Die beiden hatten zuvor eine Party besucht und waren auf dem Heimweg, als eine Polizistin und ein Polizist in das Tram stiegen und ihre Ausweise sehen wollten.
Darstellungen gehen weit auseinander
Angeblich wollten die Polizisten überprüfen, ob einer der beiden eine von der Polizei gesuchte Person sei. Die beiden dunkelhäutigen Männer fragten, warum nur sie kontrolliert würden und ob dies etwas mit ihrer Hautfarbe zu tun habe.
Die Polizisten forderten die beiden Männer auf, an der nächsten Haltestelle auszusteigen. Dort wartete inzwischen ein dritter Polizist. Nach dem Aussteigen eskalierte die Situation. Warum und wie genau, darüber gehen die Darstellungen weit auseinander.
Nach Angaben der Polizisten soll sich der kräftig gebaute Wilson A. – im Gegensatz zu seinem Kollegen – unkooperativ und aggressiv verhalten haben. Sie hätten sich deshalb zur Wehr setzen müssen. Wilson A. sei mit angemessener Gewalt festgenommen worden.
Wilson A. hingegen behauptet, die Polizisten seien grundlos auf ihn losgegangen, hätten ihn geschlagen, mit Pfefferspray besprüht und sogar gewürgt. Und das, obwohl er sie von Anfang an gebeten habe, keine Gewalt anzuwenden, da er erst kürzlich am Herzen operiert worden sei.
Anwälte: Beispiel für «Racial Profiling»
Unbestritten ist, dass Wilson A. bei dem Vorfall verschiedene Verletzungen erlitt, unter anderem einen gebrochenen Lendenwirbel, Prellungen im Gesicht und am Hals, eine Oberschenkelzerrung und eine schwere Knieverletzung.
Dass es über 14 Jahre dauerte, bis der Fall vor dem Obergericht verhandelt wird, lag unter anderem daran, dass die Anwälte des bei der Kontrolle verletzten Mannes im Laufe des Verfahrens Dutzende von Anträgen stellten. Oft ging es darum, die zuständige Staatsanwältin oder am Verfahren beteiligte Richter für befangen zu erklären.
Zweimal wollte die Staatsanwältin das Verfahren einstellen – und wurde von den Gerichten gezwungen, es fortzusetzen und die Anklage auf vorsätzliche Tötung auszuweiten.
Für die Anwälte von Wilson A. und mehrere Nichtregierungsorganisationen, die den Fall verfolgen und darüber berichten, geht es um weit mehr als den Einzelfall. Sie sehen im Fall Wilson A. ein typisches Beispiel für «Racial Profiling», also dafür, dass dunkelhäutige Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe häufiger von der Polizei kontrolliert und härter angegangen werden.
«Sinnlose Grundsatzdiskussion»
Die «Allianz gegen Racial Profiling» hat für Donnerstagmorgen eine Medienkonferenz zu dem Fall von Wilson A. angekündigt. Zudem ruft die Organisation zu einer Kundgebung vor dem Obergericht auf.
Die Verteidiger der Polizisten und die Staatsanwältin wiesen die entsprechenden Vorwürfe vor Bezirksgericht zurück. Die Polizisten hätten lediglich ihren Job gemacht; mit Racial Profiling, zu dem das Verfahren hochstilisiert worden sei, habe der Fall nichts zu tun, sagte die Staatsanwältin damals. Hätte der zur Tatzeit 36-Jährige einfach seinen Ausweis gezeigt und «keine sinnlose Grundsatzdiskussion» wegen seiner Hautfarbe geführt, wäre nichts passiert.