Stadt Zürich

Gendersensibles Personal beleidigt Kundin bei Kauf von Kaffee

Bettina Zanni
Bettina Zanni

Zürich,

Eine junge Frau bestellt in einem Shop am Zürcher Hauptbahnhof einen Kaffee. Das Personal tut alles, um sie keinem Geschlecht zuzuordnen. Das geht in die Hose.

Kaffee
Der Kauf eines Kaffees wurde für eine Kundin im Shop Point zum Pronomen-Debakel. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Mitarbeiter im Shop Point verzichtet bei einer Kundin auf das weibliche Pronomen.
  • «Ich sehe doch nicht umgebaut aus», sagt die Kundin.
  • Gastrosuisse hält für elegant, Gäste mit Namen anzusprechen.

Spätestens seit ESC-Sieger Nemo ist vielen Leuten klar: Nicht alle Menschen ordnen sich einem eindeutigen Geschlecht zu. Gender-Fettnäpfchen lauern deshalb an allen möglichen Orten. Bei einer Aargauerin ist das gendersensible Verhalten jedoch in die Hose gegangen.

Auf dem Weg zur Arbeit bestellt die grossgewachsene 22-Jährige im Convenience-Shop Point am Zürcher Hauptbahnhof einen Kaffee.

Der Mitarbeiter habe den Kaffee bereitgestellt und gleich die nächste Kundin bedient, sagt die Aargauerin zu Nau.ch. Darauf habe eine Mitarbeiterin ihn gefragt, für wen der Kaffee sei.

Verwirrung wegen Kaffee

«Ich war verwundert und dachte: ‹Sag doch einfach ‹für sie››», sagt die Kundin.

Stattdessen habe der Mitarbeiter sie verunsichert angeschaut. Danach habe er der Kollegin gesagt, dass der Kaffee «für sie» sei. «Das ‹Sie› hat er ihr aber nur noch zugeflüstert.»

Die Kundin vermutet, dass der Shop-Mitarbeiter bei der Frage nach dem Kaffee extra auf Pronomen verzichten wollte. «Weil ich mich ja auch als trans identifizieren könnte», sagt sie. Für eine Frau sei sie sehr gross. «Aber ich sehe doch nicht umgebaut aus», entfährt es ihr.

Etwas beleidigt habe sie sich nach dem Pronomen-Debakel für einen Kaffee schon gefühlt.

«Stammkunden werden mit Namen angesprochen»

Tatsächlich legt der Shop Point Wert auf einen gendergerechten Umgang mit der Kundschaft. Die SSP, ein Dienstleister in der Verkehrsgastronomie, betreibt Point.

«Unser Personal verzichtet auf die genderneutrale Ansprache nicht grundsätzlich.» Dies sagt der zuständige Verantwortliche Michael Glatz der SSP Deutschland GmbH.

Soll das Personal in Gastronomie und Verkauf auf Pronomen verzichten?

Es hänge in ihrem doch sehr schnellen Servicekontakt von der individuellen Situation ab, sagt Glatz. «Stammkunden werden mit Namen angesprochen, soweit der jeweilige Mitarbeiter diese kennt.»

Wenn ein Kunde kein persönliches Pronomen beansprucht, sollten die Mitarbeitenden laut Glatz respektvoll nach der gewünschten Ansprache nachfragen.

Mitarbeitende seien geschult

«Grundsätzlich legen wir grossen Wert auf einen respektvollen und inklusiven Umgang mit allen Menschen», sagt Glatz. Dies sei unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder persönlicher Identität. «Unsere Mitarbeitenden sind geschult, Kundinnen freundlich und ohne Vorannahmen zu bedienen.»

In Situationen, in denen Unsicherheit besteht, ermutigten sie laut Glatz dazu, höflich und professionell zu bleiben. «Ohne zu flüstern oder zu werten.»

Die SSP schult die Mitarbeitenden laut Glatz auf einen «sensiblen und bewussten Umgang mit D/E/I». Letzteres steht für «Diversity, Equity & Inclusion», also Vielfalt, Gerechtigkeit und Integration.

Diskriminierung sei gross

Frédéric Mader ist Mitglied des Co-Präsidiums des Transgender Networks Switzerland (TGNS). «Trans Menschen erleben jeden Tag zahlreiche Momente der Diskriminierung und des Unverständnisses», so Mader.

Die Bandbreite reicht laut Mader von falschen Pronomen bis zu tätlichen Übergriffen. «Die Sensibilität für diese alltäglichen Diskriminierungen ist in der Schweiz leider nach wie vor ungenügend.»

TGNS begrüsse, dass im Alltag auf gendersensible Sprache geachtet werde. Sei dies im Verkauf oder bei sonstigen Begegnungen. «Gendersensible Sprache ist ein wichtiger Bestandteil, um trans Menschen in unsere Gesellschaft zu inkludieren.»

«Diese Person» statt Pronomen

Bei Unsicherheiten bezüglich der Geschlechtsidentität oder des Geschlechtsausdrucks ist es laut Mader sinnvoll, geschlechtsneutrale Begriffe und Anreden zu verwenden. «So können Unklarheiten, falsche Pronomen und Anreden umgangen werden.» Alternativ sei das Erfragen von gewünschten Pronomen und Anreden ebenfalls eine gute Möglichkeit.

In manchen Restaurants bedient der Kellner «die Dame» oder «den Herrn». Mader empfiehlt, Gäste im Gespräch stattdessen zu siezen oder zu duzen. «Wenn auf eine Dritt-Person hingewiesen werden soll, können ganz einfache Bezeichnungen wie ‹diese Person› verwendet werden.»

Das sagen Gastroverbände

In der Zürcher Gastronomie sind genderneutrale Umgangsformen noch Neuland. «Der Verzicht auf Pronomen ist in der Gastronomie nicht verbreitet», sagt Urs Pfäffli, Präsident vom Branchenverband Gastro Kanton Zürich. Jeder Betrieb solle je nach Kundschaft, Konzept und Bedürfnis entscheiden.

Gastro Suisse hat sich mit dem Thema bereits befasst. Im Gastgewerbe sei ein respektvoller und aufmerksamer Umgang mit den Gästen wichtig, sagt Zita Langenstein, Leiterin Weitbildung. Dieser Umgang werde auch in der Ausbildung geschult.

«Eine elegante Lösung für Mitarbeitende ist jeweils, wenn die Gäste mit Namen angesprochen werden», sagt Langenstein. Da empfehle es sich auch für die Gäste, das Servicepersonal anzusprechen und gleich den Namen zu nennen.

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